Interview mit Nordperu-Spezialistin Martina: Was den Norden so einzigartig macht und warum deine Reise einen echten Unterschied machen kann
Nordperu – ursprünglich, authentisch und wunderschön! Wir lieben Nordperu für seine Nebelwälder, seine Wasserfälle und seine spannenden, häufig noch unbekannten archäologischen Stätten. Der Tourismus im Norden Perus ist stark im Kommen, soviel steht fest. Doch ansteigender Tourismus hat für Natur und Bevölkerung auch oftmals negative Auswirkungen. Wie schafft man es, ein gesundes Wachstum zu fördern, welches sowohl der Bevölkerung zu Gute kommt und die Natur dabei gleichzeitig erhalten bleibt?
Auf unserer letzten Reise durch Nordperu haben wir uns selbst ein Bild davon gemacht und mehrere nachhaltige Projekte für Kommunaltourismus und Naturschutz besucht. Unsere Reise wurde von Martina organisiert, die mit ihrer deutsch-französischen Reiseagentur kleine Gemeinden in Nordperu unterstützt. In diesem Interview gibt sie uns einen Einblick, was Kommunaltourismus eigentlich bedeutet und wie man mit einer nachhaltigen Reise einen echten Unterschied machen kann.
Ein Interview mit Martina Capel von Phima Voyages.
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Martina, in welchem Jahr bist du mit deinem Mann Philippe zum ersten Mal nach Peru gereist und was war der Auslöser?
Wir sind im Januar 2015 über Ecuador nach Nordperu eingereist. Wir waren mit unseren Kindern (damals 7 und 11 Jahre alt) auf einer längeren Reise. Nach 8 Monaten in Costa Rica als freiwillige Englisch-Lehrer und 3 Monaten in Ecuador bei entfernten Verwandten kamen wir in Chachapoyas an, wo wir auch Englisch unterrichten wollten. Am Ende haben wir aber nicht als Lehrer gearbeitet, sondern unsere Reiseagentur aufgemacht.
Eure Reiseagentur spezialisiert sich auf den Norden Perus. Was fasziniert euch an Nordperu so sehr?
Wir kannten Peru überhaupt nicht, als wir ankamen. Natürlich hatten wir schon von Machu Picchu gehört, aber wir waren unheimlich von den vielen Vor-Inka-Ruinen fasziniert, von Völkern, von denen wir noch nie gehört hatten. Dazu kommt noch die unglaubliche Naturvielfalt, mit farbenträchtigen Kolibris und üppigem Nebelwald. Und am allerwichtigsten waren und sind die Menschen! Wir haben ganz schnell Freunde gefunden, die uns noch mehr von Nordperu gezeigt haben.
Der Norden hat ja einiges zu bieten, zum Beispiel die alte Ruinenstätte Kuélap, die auch das zweite Machu Picchu genannt wird, oder der über 700 Meter hohe Gocta-Wasserfall. Wieso ist Nordperu dennoch relativ untouristisch und wird sich das in Zukunft ändern?
Noch bis vor 20 Jahren gab es nicht mal eine richtige Straße nach Chachapoyas. Insofern waren die Entfernungen noch viel schwieriger zu überwinden als jetzt. Bis 2016 gab es keine Flüge, d.h. die Anreise nach Chachapoyas dauerte mindestens 9 Stunden mit dem Nachtbus von Chiclayo, oder aber 24 Stunden mit dem Bus von Lima. So viel Zeit hat aber ein “Normalreisender” nicht – mal davon abgesehen, dass es doch sehr anstrengend ist.
Mit dem Bau der Seilbahn (der ersten in ganz Peru) nach Kuélap und den ersten Flügen nach Jaen hat sich sehr viel geändert. Seit 2017 gibt es auch Flüge nach Chachapoyas direkt (wenn auch mit kleinen Flugzeugen und nur 10 kg Gepäck), aber die Anbindung ist doch jetzt wesentlich einfacher. Die Regierung hat sich außerdem entschlossen, Machu Picchu und die Südroute von Peru etwas zu entlasten. Dabei kam der Norden, mit noch älteren Zivilisationen und unbekannten archäologischen Stätten gerade recht. Insofern hat PromPeru (Marketinggesellschaft Perus) angefangen, mehr Werbung für Nordperu zu machen. Auf den internationalen Tourismusmessen kann man heute virtuell über Kuélap fliegen oder nach Gocta wandern.
Deswegen würde ich sagen, dass Nordperu in den nächsten Jahren sehr gefragt sein wird. Peru ist sehr populär und Reisende, die den Süden schon kennen, möchten dann auch den Norden entdecken.
Wie viel Zeit sollte man für Nordperu einplanen, um einen echten Eindruck von Land und Leute zu bekommen?
Nordperu (wie Südperu) ist sehr groß, man sollte nicht in Kilometern, sondern in Stunden rechnen. Ich empfehle mindestens 15 Tage im Norden zu verbringen, und wenn man die Zeit hat, dann sind 3 Wochen wirklich toll.
Was darf man in Nordperu auf keinen Fall verpassen und warum?
Die alte Festung Kuélap natürlich und den Gocta-Wasserfall, oder auch der Wasserfall Yumbilla, immer noch in der Region Amazonas. Für Archäologie-Liebhaber ist die Nordküste ein “Muss”. Zwischen Muchik und Chimu-Zivilisationen gibt es unzählige Ruinen und Geschichten, und noch unendlich viel zu entdecken! Und für Naturliebhaber kann ich nur den Anden-Nebelwald und den tropischen Regenwald bei Tarapoto oder Iquitos empfehlen!
Wie wichtig sind Spanischkenntnisse auf einer Reise durch Nordperu?
Extrem wichtig, zumindest wenn man selbstorganisiert durch Nordperu reist. Dadurch, dass der Norden noch sehr untouristisch ist, sind Fremdsprachen momentan noch nicht sehr entwickelt. An der Küste, in Städten wie Chiclayo oder Trujillo kommt man vielleicht noch mit Englisch durch, aber in den Anden wie Chachapoyas oder Cajamarca ist es wirklich wichtig, sich auf Spanisch verständigen zu können. Etwas leichter ist es natürlich, wenn man organisiert durch Nordperu reist und, was die Planung angeht, Unterstützung von einer Reiseagentur bekommt.
Wenn Orte touristisch werden, hat das meist große Auswirkungen auf die Natur und die lokale Bevölkerung. Wie kann eine Region nachhaltig am Tourismus wachsen?
Das ist eine ganz komplexe Frage – denn sie hängt auch stark vom Staat und der Regionalregierung ab. Mehr Reisende bedeutet auch mehr Einfluss vor Ort, dieser sollte natürlich eher positiv als negativ sein.
Ein großes Thema ist immer die Wasser- und Abwasserversorgung, aber auch die Müllentstehung und Trennung. Diese Themen sind in verschiedenen Regionen noch nicht sehr entwickelt und mit zunehmenden Reisenden verbessert sich die Situation nicht.
Deswegen sind Aufklärung und kontinuierliche Ausbildung so wichtig. Die lokale Bevölkerung möchte gerne an der touristischen Entwicklung teilnehmen. Es ist wichtig, dass sie versteht, warum der Reisende kommt (wegen der Natur oder der archäologischen Stätte) und dass dies dann erhalten bleiben muss. Dieser Ansatz führt dazu, dass sich Umweltbewusstsein bildet und weitergegeben wird.
Ansonsten ist es auch wichtig, dass die lokale Bevölkerung sich selber strukturiert und den Reisenden eigene Angebote bietet – damit nicht nur ausländische oder Lima-gehaltene Hotelketten oder Investoren in die Region kommen und den Löwenteil abgraben. Damit Tourismus nachhaltig sein kann, sollte der Reisende etwas länger im Dorf bleiben, als nur zur Attraktion zu fahren / wandern, und dann wieder abfahren.
Eine Gemeinde, deren touristische Entwicklung ihr als Reiseagentur stark fördert, ist der kleine Ort Cuispes. Was macht den Ort so besonders und sehenswert?
Cuispes liegt ca. 1 Stunde 15 Minuten von Chachapoyas entfernt und ist der Ausgangspunkt zur Wanderung nach Yumbilla, dem zweitwichtigsten Wasserfall der Region Amazonas. Dieses Dorf hat eine wunderschöne Aussicht über das Utcubamba-Tal und einen verschlafenen Dorfplatz. Die Wanderung nach Yumbilla ist einfacher als die nach Gocta und führt durch richtig schönen Nebelwald. Ganz besonders freundlich sind aber die Bewohner von Cuispes, man fühlt sich gleich willkommen.
Wie sieht so ein Aufenthalt in Cuispes beispielsweise aus? Was für Aktivitäten kann man als Reisender erleben und wie authentisch ist diese Erfahrung?
Außer der Wanderung nach Cuispes, kann man seit 2017 auch Canyoning machen, d.h. sich im Wasserfall abseilen und den Fluss durchwandern / schwimmen. Für weniger Abenteuerlustige gibt es verschiedene traditionelle Aktivitäten, die mit den Einheimischen ausgeführt werden und einen Einblick in deren tägliches Leben geben. Man kann bei Sr. Pancho übernachten, mit Elisa Brot backen oder mit Rosita alles über Kaffeeanbau, -ernte, Röstung und Mahlen lernen, oder noch mit Wilder zu seinem Grundstück außerhalb von Cuispes wandern und seine Bienenstöcke bewundern und ihm beim Imken helfen.
Ein solcher Aufenthalt ist für Reisende, die sich gerne mit der einheimischen Bevölkerung austauschen. All diese Aktivitäten werden regelmässig von den Einheimischen durchgeführt, es ist also nichts, dass extra für die Touristen gestellt wird.
Wie profitieren die einzelnen Bewohner in Cuispes vom Kommunaltourismus und wie wird gewährleistet, dass Aufgaben unter der Bevölkerung gleichmäßig verteilt werden?
Cuispes hat einen Tourismusverein, an dem viele Bewohner teilnehmen. Es gibt einen Präsidenten und regelmässige Versammlungen. Der Verein bestimmt pro Monat die “local guides”, die die Reisenden nach Yumbilla begleiten und diejenigen, die das Büro auf der Plaza de Armas führen. Dadurch, dass die Bewohner Tageslöhner oder Bauern sind, werden sie an diesem Tag, den sie für den Verein arbeiten nicht bezahlt oder können ihre Felder nicht bestellen. Deshalb empfehlen wir immer, einen lokalen Guide zu nehmen, denn der Preis, den der Kunde dafür bezahlt, geht direkt an den Guide. Die Frauen sind dabei oft zu Hause.
Durch den Kommunaltourismus bezieht auch immer stärker die lokalen Frauen mit ein, z.B. bei den Übernachtungen in “Homestays”, so bekommen die Bewohner eine zusätzliche Einkommensquelle und auch die Frauen bekommen einen etwas anderen Status.
Bisher gibt es nur einen Homestay und die oben genannten Aktivitäten in Cuispes, aber wir hoffen, 2019 noch einen zweiten Homestay fertig zu bekommen und vielleicht noch ein Webatelier aufzubauen.
Momentan ist es so, dass die Einkommen der Wanderung nach Yumbilla im Verein bleiben und dazu benutzt werden, dass die Bewohner bezahlt werden, wenn sie z.B. den Wanderweg nach Yumbilla frei halten oder reparieren, besonders nach der Regensaison. Die Einkommen für die verschiedenen Aktivitäten gehen direkt an die Person, mit der der Kunde in Kontakt ist.
Ist es sinnvoll kleine Gastgeschenke mitzubringen, wenn ja, über was freuen sich die Menschen?
Im Großen und Ganzen bin ich kein so großer Fan von Gastgeschenken, denn es gibt eigentlich alles auch hier in Peru. Buntstifte und Malbücher für Kinder gibt es hier auch und sie sind dazu noch viel günstiger. Bücher sind sehr teuer, aber diese sollten auf jeden Fall in Spanisch sein, d.h. man müsste sie in Peru kaufen, was nicht so praktisch ist.
Was interessant sein kann, sind Postkarten von zu Hause, mit denen man seiner Gastfamilie zeigen kann, wo man herkommt. Oder auch eine kulinarische regionale Spezialität.
Hans-Magnus sagte einst: “Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.” Kannst du diesem Zitat zustimmen? Oder glaubst du, dass es eine Möglichkeit gibt, dass Reisende so wie auch die Natur vom Tourismus profitieren können? Schließlich ist eine intakte Natur die Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen nach Nordperu kommen. Gibt es Beispiele für gute Naturschutzprojekte?
Ich möchte dem Zitat nicht zustimmen, da ich ein sehr positiver Mensch bin. Ich hoffe, dass es über Regulierungen und gesunden Menschenverstand möglich ist, dass Reisende, Einheimische und die Natur vom Tourismus profitieren. Es geht ja doch alles Hand in Hand.
Beispiele habe ich mehrere, z.B. Perico und seine Mutter Lola, die in der Nähe von Kuélap ihr privates Naturschutzgebiet ACP Milpuj betreiben, mit Biogarten, ökologischen Häusern, ständiger Waldaufforstung und versteckten Kameras, um die Tierarten zu rezensieren. Oder auch das Naturschutzgebiet von Tingana, in der Nähe von Moyobamba, wo mehrere Gemeindemitglieder das Flussgebiet und somit ein zerbrechliches Ökosystem sauber und instand halten und als local guides Ausflüge veranstalten. Oder noch Chaparrí, an der Küste in der Nähe von Chiclayo, wo ebenfalls ein Gemeindeprojekt die Biodiversität in der Trockenwüste beschützt und ehemalige Jäger zu Naturschützern gewandelt hat.
Manche Reisende scheuen eine intensive Reiseplanung, vor allem, wenn der Kontakt zu kleinen Gemeinden schwer herzustellen ist oder keine Spanischkenntnisse vorhanden sind. Wie ist es dennoch möglich als Reisender nach Cuispes zu gelangen?
Wenn man sich für die Aktivitäten interessiert, die in Cuispes angeboten werden, ist es besser, im Voraus zu reservieren, denn die Einwohner sind sonst nicht unbedingt vor Ort. Elisa bäckt z.B. nur einmal in der Woche und muss vor der Aktivität die Zutaten kaufen und alles vorbereiten. Wenn jemand allerdings nur nach Yumbilla wandern möchte, kann er das natürlich direkt vor Ort ausmachen und dann loswandern.
In Cuispes gibt es ein Hotel und ein Hostal, wo man übernachten kann, der Homestay von Señor Pancho sollte im Voraus gebucht werden, weil es hier auch sein kann, dass er abwesend ist, wenn man einfach so ankommt.
Momentan gibt es keine Tagestouren nach Cuispes, d.h. dass man mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen muss, was etwas länger dauert, und sicher schwieriger ist, wenn man kein Spanisch spricht.
Wenn du nun neugierig auf Nordperu geworden bist, dann schaue unbedingt in der nächsten Zeit auf unsere Seite der Reisevermittlung, wo Martina mit ihrer Reiseagentur eine tolle Reise nach Nordperu anbietet.
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Wer da schreibt?
Hola! Ich bin Anne, Mitgründerin von QUER DURCH PERU. 2011 bin ich zum ersten Mal nach Peru gereist: Geplant waren 6 Monate, daraus wurden 2 Jahre. Seitdem zieht es mich regelmäßig in das schönste Land der Welt.