Der Ferrocarril Central Andino – eine Bahnfahrt über die höchste Eisenbahnlinie der Anden
Mit dem Zug Ferrocarril Central Andino über die höchste Eisenbahnlinie der Anden: Ein Zugfahrt zwischen dem Ozean und den Wolken mit einer atemberaubenden Streckenführung über 7 Spitzkehren, 60 Brücken und 66 Tunnel quer durch die Anden auf über 4781 Meter. Eine Fahrt mit der peruanischen Zentralbahn zählt wohl zu den landschaftlich reizvollsten Eisenbahnstrecken weltweit. Bis zum Bau der Trasse Peking-Lhasa im Jahr 2007 war es sogar die höchste Eisenbahnstrecke der Welt!
Es ist 7 Uhr morgens, die Zugabfahrt aus dem historischen Bahnhof Desamparados wird feierlich von einem Blasorchester begleitet. Zugfahren ist in Peru wirklich etwas besonderes. Nur sechs peruanische Bahnlinien gibt es, eine davon führt im Ferrocarril Central Andino über die höchsten Schienen Lateinamerikas bis in die Anden. Zunächst geht es durch zahlreiche Stadtviertel Limas. Statt landschaftlichen Ausblicken bietet sich hier für manch einen erstmal ein Realitätsschock, denn die Armenviertel wachsen immer weiter bis in die Hänge der Andenausläufer. Doch nach einigen Kilometern wechselt Wetter und Landschaft: Aus dem grau-braunen, staubigen Lima wird plötzlich eine grün-bergige Landschaft. Nun geht es los, ca. 10 Stunden durch das grandiose Andenpanorama, durch zahlreiche Tunnel und genauso viele Brücken. Vorbei an kargen Berglandschaften und grünen Tälern mit Alpaka-Herden.
Langsam aber stetig zieht die Bahn sich teilweise im Zick-Zack die Andenhänge hoch. Herz und Kreislauf passen sich an die Höhe an: Bei so einer Höhe kann man schon mal müde werden oder Kopfschmerzen kriegen. Im Normalfall ist eine langsame Fahrt mit der Bahn oder dem Bus jedoch deutlich schonender als ein Flug. Die Anpassung an die Höhe erfolgt so stetiger und gleichmäßiger, die Akklimatisierung ist für den Körper einfacher. Für den Notfall stehen jedoch auch Sauerstoffflaschen und eine Krankenschwester im Zug bereit.
Der Ferrocarril Central Andino – ein ambitionierter Traum der peruanischen Regierung
Wer mit dem Ferrocarril unterwegs ist, der bewegt sich hautnah durch die Bahn-Geschichte Perus. 1869 beschloss der peruanische Kongress die Streckenführung von der Hauptstadt Lima bis ins zentrale Hinterland Jauja. Schlüsselfigur in dieser Geschichte ist der US-Amerikaner Henry Meiggs, der nach einigen zweifelhaften Geschäften im Immobilienhandel nach Südamerika geflohen war und dort mit der peruanischen Regierung einen Vertrag abschloss zum Bau der Peruanischen Zentralbahn. Die Motivation der peruanischen Regierung rührte vor allem daher, dass es in der Bergregion ein reiches Erzvorkommen gab und durch eine Bahnlinie ein schneller Abtransport bis nach Lima gewährleistet wäre. Es wurde viel Geld investiert und rund 10 000 Arbeiter starben während des Baus bei Unfällen oder an Infektionskrankheiten. Meiggs selbst erlebte die Eröffnungsfahrt jedoch nicht mehr, er verstarb 1877. Nachdem die ersten Kilometer zügig gebaut waren, kamen die Bauarbeiten jedoch während des Salpeterkriegs mit Chile und wegen Geldmangel fast zum erliegen. Nach 23 Jahren Bauzeit wurde La Oroya erreicht und die Strecke eröffnet, die fehlenden 124 Kilometer nach Huancayo folgten bis 1908 bzw. nach Huancavelica 1910. Ob sich dieses Projekt wirklich gelohnt hatte? Jedenfalls nicht für die Bewohner der Andenregion, die wenigsten konnten sich wohl ein Ticket für den Zug kaufen.
Von der Verstaatlichung zurück zur Privatisierung, heute Touristenbahn
Im gesamten 20. Jahrhunderte durchlebte die Bahn verschiedene gesellschaftliche Epochen, von der Verstaatlichung über den kompletten Stillstand durch die Terrorwellen des Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) bis hin zur Privatisierung 1999. Betreiber und Teilhaber der FCCA ist heute die Rail Development Corporation RDC aus Pittsburgh, USA. Bis 1999 waren Entgleisungen und Unfälle leider keine Seltenheit, doch seit der amerikanischen Übernahme hat sich die Sicherheit und der Einsatz von geschultem Bahnpersonal das Unternehmen komplett verändert. Seit 2002 ist die Bahn wieder regelmäßiger im Einsatz, wird von den Peruanern aber weniger angenommen und gilt eher als einmaliges Erlebnis für Eisenbahn-Enthusiasten.
Heute ist die Strecke vor allem ein Highlight für Bahnliebhaber und Touristen. Anders als in den modernen Bussen mit Fernsehbildschirmen und Filmen in ohrenbetäubender Lautstärke gibt es hier Nostalgie und weite Landschaften zu bestaunen. Für die einen sind 10 Stunden Bahnfahrt einfach nichts, für manch andere allerdings ein Hochgenuss! Der Zug fährt normalerweise von April bis November 2x monatlich. Es gibt Tickets für zwei unterschiedliche Klassen zu erwerben: Im Tarif Clásico zahlen Peruaner 380 S./ und ausländische Touristen 500 S./, in der Touristenklasse sind es 600 S./ für Peruaner und 750 S./ für Ausländer. In der Touristenklasse ist eine Tanzshow, ein Frühstück, Mittagessen und ein Pisco Sour enthalten. Kein günstiges Vergnügen also, dennoch ein echtes Abenteuer und wer kann schon von sich behaupten, auf einer Freiluftterasse auf der zweithöchsten Bahnlinie der Welt durch die Anden gefahren zu sein? Übrigens: Von Huancayo nach Lima ist der Fahrpreis deutlich günstiger.
Bereise die höchste Zugstrecke der Anden vom Sofa aus
Du hast schon immer mal davon geträumt mit der Eisenbahn durch die majestätischen Anden zu fahren? Eine virtuelle Zugreise auf einer der höchstgelegenen Eisenbahnrouten der Welt macht es möglich. Die vierteilige virtuelle Video-Reise beginnt auf Höhe des Meeresspiegels im Bahnhof Desamparados in Lima und endet in der Nähe des Bahnhofs Galera in den Anden – auf 4781 Metern Höhe! Der erste Teil beginnt realitätsnah und führt von Chosica – landschaftlich alles andere als idyllisch, dafür authentisch. Denn natürlich gehört auch das zu Peru. Danach wird es langsam grüner und bergiger. Es geht durch einige Tunnel und über die Eisenbahnbrücke Puente Carrión. Im zweiten Teil geht es allmählich so richtig in die Anden und durch die Bergregionen Matucana und San Mateo. Im dritten Teil der Videoreise geht es über die Puente Infiernillo, durch eine enge Schlucht, bei der die steilen Wände ganz schön nah kommen. Im vierten und letzten Teil sind wir schon nah dran an Huancayo und fahren durch einen der höchsten Eisenbahntunnel weltweit – La Galera auf 4780 Metern. Er misst 1,2 Kilometer und ist der längste Tunnel der Strecke.
Ferrocarril Central Andino: Alle Fakten zur Bahnfahrt auf einen Blick
Für alle, die die Fahrt nicht nur virtuell, sondern bei ihrer Peru-Reise selbst erleben möchten, haben wir die Fakten hier einmal zusammengestellt:
Strecke: Lima bis Huancayo
Abfahrten: 2 x monatlich von April bis November
Abfahrtsbahnhof in Lima: Desamparados. Man erreicht ihn von der Plaza Mayor aus, ca. 1 Block entfernt.
Fahrzeit: um die 10 Stunden, jedoch meistens mit einer Verspätung, da die Eisenbahn unterwegs Güterzüge vorbeilässt.
Höchster Bahnhof: La Galera auf 4.781 Metern
Kosten der Bahnfahrt: 750 S./ (ca. 180 Euro) in der Touristenklasse (inkl. Tanzshow, Frühstück, Mittagessen und einem kleinen Pisco Sour) Die Fahrt von Huancayo nach Lima kostet lediglich 520 Soles (ca. 140 Euro).
Wo kann man Ticket buchen?: Über die Internetseite von Ferrocarril Central Andino S. A. (FCCA) oder alternativ über eine lokale Reiseagentur.
Höhenkrankheit: Von Meeresspiegelniveau auf der 4000 Meter Höhe, das ist kein Klacks für unseren Körper. Die meisten Menschen kriegen leichte Symptome der Höhenkrankheit, werden müde, kriegen Kopfschmerzen, manchen wird etwas schlecht. Es hilft, wenn man bereits im Vorfeld leichte Kost zu sich nimmt, während der Fahrt viel Wasser und Kokatee trinkt sowie möglichst auf Alkohol verzichtet. Für den Notfall stehen Sauerstoffflaschen und eine Krankenschwester bereit, die bei Problemen behilflich ist.
Wie kommt man ansonsten noch mit dem Zug durch Peru?
Will man nicht mit dem Ferrocarril Central Andino von Lima nach Huancayo fahren, gibt es derzeit noch fünf weitere aktive Strecken, die man in Peru mit der Bahn zurücklegen kann:
- Cusco nach 1) Aguas Calientes, 2) nach Puno oder nach 3) Arequipa über Puno
- Huancayo nach Huancavelica
- Tacna nach Arica (Chile)
Einen Erfahrungsartikel zur Fahrt mit dem Ferrocarril findet ihr hier: Mit der Andenbahn von Lima nach Huancayo
Heinz Schiffl
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